Liebe Gemeinde,
in Form eines "offenen Briefes" möchte ich zur Diskussion über Geschäftsgebaren, Aufrichtigkeit und Glaubwürdigkeit der Wirtschaft anregen. Der konkrete Fall betrifft das Unternehmen Vodafone - die E-Mail ging heute gleichlautend an den Konzernsprecher.
Verehrter Herr Ellerbeck,
ich gebe Ihnen heute einen Vorgang zur Kenntnis, von dem ich hoffe, dass Sie ihn bis zur Vorstandsebene durchstecken. Der Fall steht exemplarisch a) für das Gros der Wirtschaft, die reflexartig-pathologisch Neukundenakquise betreibt und die Bestandskundenpflege weitgehend außer Acht lässt, b) für eine allenfalls simulierte Dialogbereitschaft, die nur das eine Ziel hat, (noch) mehr zu verkaufen, c) für die mangelnde Qualifizierung des Personals auch und gerade auf den Hotlines.
Seit einem Jahrzehnt bin ich Festnetz-Kunde Ihres Unternehmens, mit dem Mobilfunkanschluss sogar noch länger. Wiederholt musste ich in der Vergangenheit selbst nachfragen, ob und inwieweit sich meine abgeschlossenen Tarife an die von Ihrem Unternehmen neu beworbenen, günstigeren Angebote anpassen lassen. Dass Sie mit diesen Angeboten nicht proaktiv auf mich zugekommen sind und diese in erster Linie (oder ausschließlich) Neukunden vorbehielten - geschenkt.
Zum Jahreswechsel hatte ich erneut ein Telefonat mit Ihrem Haus geführt, um zu besprechen, welche Möglichkeiten der Tarifanpassung es für meinen Festnetzanschluss gibt. Mir lag das Angebot eines Wettbewerbers vor, das dieselbe Leistung um die Hälfte preiswerter anbot. Wohlgemerk: Ich bin weder Tarif-Hopper noch Schnäppchenjäger - das belegt allein die langjährige Kundenbeziehung zu Ihrem Haus.
Dennoch hat es mich maßlos enttäuscht, dass die Mitarbeiter Ihrer Hotline weder die Bereitschaft signalisierten noch die Möglichkeit in Erwägung ziehen wollten, mir ein besserer Angebot für die Zukunft zu unterbreiten, um mich als Bestandskunden nicht zu verlieren. Und das in einem hoch kompetitiven Markt! Als Konsequenz habe ich das Vertragsverhältnis gekündigt.
Heute erreichte mich die entsprechende Kündigungsbestätigung. Angeblich bedauere Vodafone meine Entscheidung "sehr", heißt es da in schönstem PR-Sprech, man würde gern meine Beweggründe erfahren und "laden Sie herzlich zu einem persönlichen Gespräch ein". Anbei eine kostenfreie Rufnummer. Glauben Sie diesen Marketing-Quatsch eigentlich selbst? Ich habe diese Nummer natürlich angerufen - und sah mich letztlich in meiner Entscheidung voll bestätigt.
In der Praxis gestaltete sich das Gespräch wie folgt: Ab nahm eine Dame mit vergleichsweise reserviertem Ton. Von der im Brief suggerierten Herzlichkeit war nichts zu spüren. Auch nicht von Dialogbereitschaft oder auch nur rudimentärem Interesse an den Beweggründen für meine Kündigung. Vielmehr sollte mein Anruf dazu dienen, die Kündigungsdaten abzugleichen (um die interne Fehlerquote zu reduzieren) und mir möglichst noch irgendwas Neues aufzuschwatzen. Verkaufskanal statt Helpdesk, Egomanie statt Empathie, Ignoranz statt Interesse.
Ich bin eigentlich nicht besonders verwundert über diesen Vorgang, steht er doch exemplarisch dafür, wie Unternehmen mit ihren (Bestands-)Kunden umspringen. Dennoch bitte ich Sie um respektvolle Kenntnis- und substanzielle Stellungnahme. Meine Erwartungen sind jedoch gering, was etwaige Selbstreflexionsprozesse bei Vodafone angeht.